20 Jahre Ambulatorium Sonnenschein. Rückblicke und Einblicke des Ärztinnenteams
1995 wurde das Ambulatorium Sonnenschein von einem privaten gemeinnützigen Verein unter dem Obmann Hofrat Prof. OMR Dr. Franz Todter eröffnet.
Zu verdanken ist die Initiative dem heutigen Verwaltungsdirektor Herrn Robert Holovsky, der als betroffener Vater mit der Tatsache konfrontiert war, dass es zum damaligen Zeitpunkt in NÖ kaum Behandlungsplätze für behinderte Kinder gab. Unter Mithilfe des ehemaligen Leiters der Kinder- und Jugendabteilung des KH St. Pölten, Prim. Dr. Rainer Schilling, der an seiner Abteilung aus verschiedenen Gründen diesen Versorgungsmangel nicht abdecken konnte, kam es zur Errichtung eines „Diagnose- und Behandlungszentrums für behinderte Kinder und Jugendliche“. Begonnen hat das Team zuerst unter der ärztlichen Leitung von Prim. Univ.-Prof. Dr. Karl Zwiauer und nach kurzer Zeit mit Prim. Dr. Manuela Baumgartner.
1996 standen unter deren Leitung eine weitere Fachärztin für Kinder- und Jugendheilkunde, Frau Dr. Irene Höchtl, und eine Ärztin für Allgemeinmedizin, Frau Dr. Regina Bamberger, zur Verfügung, beides Kolleginnen, die auch heute noch mit Begeisterung im Ambulatorium tätig sind. Das Team setzte sich weiters aus einer Physio- und Ergotherapeutin, einer Logopädin, einer Sonder- und Heilpädagogin, einer Sozialarbeiterin, einer Frühförderin sowie einer klinischen Psychologin zusammen. Bereits damals stand die ganzheitliche Behandlung nach umfassender Diagnostik in interdisziplinärer Zusammenarbeit im Vordergrund.
Aufgrund der starken Nachfrage und der Entwicklung der Patientenzahlen kam es 2005 zur Errichtung eines Neubaus am Eisberg in St. Pölten. Mit der Namensgebung „Sozialpädiatrisches Zentrum“ wurde auch unser Arbeitsbereich neu und umfassender definiert. Sozialpädiatrie befasst sich mit den Beziehungen zwischen Gesundheit, Krankheit, Entwicklung und den Lebensbedingungen von Kindern und Jugendlichen. Unsere Schwerpunkte sind die Früherkennung von Entwicklungsstörungen und Behinderungen, die Behandlung und Betreuung von Kindern mit chronischen, hauptsächlich muskulären und neurologischen Erkrankungen. Wir sehen uns als Teil des Teams und betreuen unsere Patienten in interner und externer Kooperation. Die Eltern sehen wir als Partner und versuchen mit diesen und ihren Kindern individuelle Therapiekonzepte zu erarbeiten, die eine möglichst hohe Teilhabe der Kinder zum Ziel haben.
Heute sind wir zu viert: 3 Fachärztinnen für Kinder- und Jugendheilkunde mit dem Zusatzfach Neuropädiatrie (Dr. Gobara, Dr. Höchtl, Dr. Rath) und eine Ärztin für Allgemeinmedizin (Dr. Bamberger).
Wir alle haben neben umfangreichen Kenntnissen in der Entwicklungsdiagnostik auch eine psychotherapeutische Ausbildung.
Seit dem Jahr 2011 bilden wir auch KollegInnen im Kernfach Kinder- und Jugendheilkunde jeweils für 12 Monate aus.
Ich durfte im Jahr 2007 die Leitung des Ambulatoriums übernehmen. Seither konnten wir einerseits durch Erweiterung des Teams, andererseits durch die Einführung von insgesamt meist über 40 laufenden interdisziplinären Gruppentherapien die Patientenzahlen mehr als verdoppeln. Dies erforderte die Einführung neuer Strukturen, Arbeitsabläufe und organisatorischer Prozesse. Inhaltlich und planerisch haben wir uns sehr intensiv mit dem Thema Autismus, Früherkennung, Diagnostik und spezifischen Therapien befasst und ein Konzept für ein Autismus-Kompetenzzentrum in NÖ entwickelt. Darüber hinaus bemühen wir uns seit einigen Jahren die ICF (internationale Klassifikation of Functioning, Disability and Health) in der ambulanten Therapie von Kindern und Jugendlichen zu etablieren. Aber auch alle anderen Diagnostik- und Therapiemethoden in den jeweiligen Fachbereichen werden von uns ständig inhaltlich erweitert und überprüft. Dazu investieren wir sehr viel an Ressourcen in ständige Aus- und Weiterbildung, aber auch in Supervision und Reflexion unserer ärztlichen und therapeutischen Bemühungen.
Die gesellschaftlichen Entwicklungen, der Wandel der Morbidität fordern uns in der Anpassung und Weiterentwicklung unseres Leistungsprofils. Wir beobachten zunehmend komplexe chronische Störungsbilder, eine Zunahme von Verhaltensauffälligkeiten und Lebensstilerkrankungen, die über unsere Institution hinaus eine Zusammenarbeit vieler und ein sich vernetzendes Konzept von Hilfen benötigt. Es erfordert ein Umdenken aller Beteiligten, um die Zukunft der Kinder und Jugendlichen gemeinsam mit diesen „gesund“ zu gestalten. Kinder- und Jugendabteilungen der Spitäler, Kinder- und Jugendpsychiatrie, Pädagogik, Jugendwohlfahrt, Sozialversicherungen und das Land NÖ mit seinen Einrichtungen im Gesundheits- und Sozialbereich brauchen wir auf diesem Weg auch weiterhin als Kooperationspartner.
Wie arbeiten wir?
Nach Abklärung des Zuweisungskontextes und den Anliegen der Eltern, nach Familien- und Störungsanamnese wird das Kind entwicklungsneurologisch untersucht bzw. eine Entwicklungsdiagnostik durchgeführt, die auch die klinische Beobachtung des (Spiel-)Verhaltens des Kindes und der Interaktion (in der Familie) inkludiert. Eventuell werden weitere Untersuchungen veranlasst. Danach kommt es zur Erstellung einer Diagnose und eines Therapieplans sowie zur Koordination der verschiedenen Maßnahmen. Eltern und Zuweiser erhalten einen ausführlichen Befundbericht, zum Teil wird Kontakt zum weiteren Umfeld des Kindes hergestellt (Kindergarten, Schule usw.).
Die Versorgung mit evtl. erforderlichen Heilbehelfen/Hilfsmitteln erfolgt in enger Zusammenarbeit mit der behandelnden Physiotherapeutin, unserem Kinderorthopäden, dem Orthopädietechniker, dem Bandagisten und dem orthopädischen Schuhmacher. Nachdem die Gesamtversorgung im Haus stattfindet, sich alle Berufsgruppen rund um den Patienten gruppieren, Einblick in die Arbeit des jeweiligen Fachbereiches haben und sich untereinander regelmäßig austauschen, leisten wir moderne, effektive und patientenzentrierte Versorgung.
Große Sorgen bereiten uns der mangelnde ärztliche Nachwuchs, aber auch die Transition, d. h. die Übergabe unserer Patienten, die auch nach dem 18. Lebensjahr Unterstützung benötigen, an die Erwachsenenmedizin.
Mit dem vollständigen Ausbau unseres Hauses und der Aufstockung des Teams beschäftigt das Ambulatorium Sonnenschein heute 32 Mitarbeiter im Angestelltenverhältnis sowie 14 freie Mitarbeiter in der Frühförderung.
Wir wünschen uns weitere 20 Jahre, in denen wir die hohe Qualität der Versorgung auch weiterhin kostenfrei den Familien zur Verfügung stellen können und gute Antworten auf die aktuellen Herausforderungen finden.
Prim. Dr. Sonja Gobara
Ärztliche Leiterin